(ju) Auf ihrem fünften Studioalbum „Dawn of the Dusk“ nimmt uns das französische Trio von MARS RED SKY mit auf ihren Soundwolken, die uns aus der Gegenwart entreißen und durch progressive Windungen in psychedelische Doom-Kosmen eintauchen lassen. Mal türmt sich das Soundgewitter zu mächtigen Kumuluswolken auf, etwa in „Break Even“ oder „A Choir of Ghosts“, mal umschmeicheln wohlig warme Harmonien auf Schäfchenwolken die Gehörgänge („Slow Attack“), mal schweben wir auf zerfließenden Schleierwolken entrückt am Horizont, so wie im namentlich passenden „Heavenly Bodies“.
Schon der Opener „Break Even“ – die zweite von drei Single-Auskopplungen des neuen Albums – überzeugt von der Bank weg. Famos, wie sich Julien Pras’ hypnotische Stimme in den Strophen einen fesselnden Dialog mit seiner Gitarre liefert, während Jimmy Kinast mit brummelndem Bass stoisch voranmarschiert und Mathieu Gazeaus Schlagzeugspiel eindringlich und zugleich unaufdringlich den donnernden Puls des Liedes mit rhythmisch verspielten Variationen begleitet.
Die nicht weniger eindrucksvolle erste Singleauskopplung „Maps of Inferno“ ist gemeinsam mit Helen Ferguson (QUEEN OF THE MEADOW) entstanden. Ferguson mischt hier mit teils zärtlicher, teils eindringlicher Stimme eine exquisite Prise Dark Folk unter den infernalischen Doom, der mit seinen raffinierten instrumentalen Passagen einige Gänsehautmomente garantiert.
Die zuletzt erschienene Single „The Final Round“ überrascht mit melodiösem Refrain und einer vergleichsweise optimistischen Atmosphäre. Bassist Jimmy Kinast gibt sich diesmal auch am Mikrofon die Ehre und steuert dem Album damit – vor allem in den Strophen – auch stimmlich viel Bass bei. Am Ende findet der Song in seiner finalen Runde schließlich zurück zur moll-gestimmten Doom-Bewölkung.
Das instrumentale „A Choir of Ghosts“ knüpft nahtlos daran an und dient als Überleitung zum episch anmutenden „Carnival Man“, ein Stück mit gegensätzlichen Stimmungen, in dessen Mitte sich die Wolken für einen Moment auseinander verlieren und ein wenig Licht durchlassen, bevor sie sich unter verträumt-narrativem Gitarrensolo und Julien Pras’ zart-zerbrechlicher Stimme wieder zu einem drückenden Schleier vereinen.
Als Konzeptalbum möchte „Dawn of the Dusk“ im Ganzen gehört und genossen werden. Dabei stellen die letzten drei Titel eine Trilogie dar: Das instrumentale „Trap Door“ leitet mit Akustikgitarre und abruptem Ende ein ins stimmungsvolle „Slow Attack“, das wie im Opener ganz wundervoll mit dem für MARS RED SKY so typischen Kontrast zwischen zart-zerbrechlichem Gesang und tiefem Brummelbass spielt und einen wunderschönen Chorus bietet. (Dies ist das erste Mal, dass ich das Adjektiv „wunderschön“ in einer Rezension verwende.) Das instrumentale Schlusslicht „Heavenly Bodies“ schließlich stellt einen verträumt-entrückten Geniestreich dar, der durch Helen Fergusons engelsgleiche Backing Vocals und einer kleinen Kastenzither, der sogenannten Autoharp, völlig verträumt und verspielt daherkommt und uns ein Lächeln der Verzückung und Entrückung aufs Gesicht zaubert, bevor das Album im wolkenweißen Rauschen endet.
Das Artwork von Carlos Olmo spiegelt die Gefühle, die beim Hören entstehen, in seinen wellenförmigen, wabernden Formen und Linien wunderbar wieder: Die geheimnisvollen Tiefen des verführerischen Wassers, vom Wind verwirbelte Baumkronen, in der Ferne graue Hochhausboliden, von denen uns die Musik glücklicherweise schnell hinfort weht. So wie das bewegte, sich im Wasser spiegelnde Bandlogo von Farben und Formen eingenommen wird, werden wir liebevoll und zugleich unnachgiebig umklammert von einem aufnahmetechnisch extrem gelungenen und kontrastreichen Sound-Universum.
Am morgigen Samstag, den 09.12.2023, könnt ihr die Virtuosen live im Vortex Surfer Musikclub Siegen/Weidenau bewundern und euch auf sämtlichen Wolken davontragen lassen.
(judith)
Labels: MRS Red Sound, Vicious Circle records
VÖ: 08.12.2023
Trackliste:
- Break Even
- Maps of Inferno
- The Final Round
- A Choir of Ghosts
- Carnival Man
- Trap Door
- Slow Attack
- Heavenly Bodies
https://marsredsky.bandcamp.com/album/dawn-of-the-dusk
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